Sozialleistungen für Kinder mit Neurodermitis beantragen
Leiden Kinder unter starker Neurodermitis, geht dies mit Beeinträchtigungen für die gesamte Familie einher.
Um diese Nachteile zumindest ansatzweise auszugleichen, gibt es verschiedene staatlich finanzierte Sozialleistungen.
Erhalte hier einen Überblick über die Leistungen, Voraussetzungen und die Beantragung.
1 Welche Sozialleistungen gibt es bei Neurodermitis?
Zunächst einmal gibt es bei Neurodermitis ebenfalls die klassischen Sozialleistungen, die du ggf. bereits von anderen Erkrankungen deines Kindes kennst. Hierunter fallen z. B. das Kinderkrankengeld bzw. Kinderpflegegeld sowie unter bestimmten Voraussetzungen der Anspruch auf Kinderrehabilitation.
Weitgehend unbekannt ist, dass auf Grund von Neurodermitis
ein Grad der Behinderung und eine Pflegebedürftigkeit beantragt werden können. Dies gewährt den Familien verschiedene Nachteilsausgleiche wie z. B. steuerliche Entlastungen oder eine besondere Berücksichtigung der Erkrankung im schulischen Alltag (z. B. über zusätzliche Zeit bei Klassenarbeiten).
2 Wie wird der Grad der Behinderung und die Pflegebedürftigkeit bei Neurodermitis berechnet?
Die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung eines Behinderungsgrades ist die Einschränkung der körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionen.
Bei schwerer, generalisierter Neurodermitis (über den ganzen Körper erstreckend) insbesondere auch bei Betroffenheit des Gesichtes, wird i. d. R. ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt.
Bei der Bemessung wird auch die Häufigkeit von stationären oder ambulanten Versorgungen berücksichtigt.
Weitere atopische Erkrankungen wie z. B. allergisches Asthma oder Allergien werden gesondert betrachtet.
Dadurch kann ggf. ein GdB von 50 erreicht werden. Ab diesem Wert spricht man von einer Schwerbehinderung, die mit erweiterten Nachteilsausgleichen verbunden ist.
Die Feststellung einer Pflegebedürftigkeit erfolgt nach anderen Maßstäben, kann aber oft mit der Ermittlung eines Behinderungsgrades einhergehen.
Da Kinder von Natur aus pflegebedürftig sind, erfolgt die Ermittlung des Pflegegrades nach anderen Maßstäben als bei Erwachsenen. Ihre Fähigkeiten und Selbstständigkeit werden mit denen gleichaltriger Kinder verglichen.
Folgende (und weitere) Umstände werden dabei berücksichtigt:
- intensive therapeutische Maßnahmen (Verbandswechsel, Medikamente)
- intensive Begleitung zur Bewältigung der Erkrankung (z. B. bei Schlafstörungen)
- besonderer Betreuungsaufwand durch schwere Allergien und eine damit verbundene Anaphylaxie-Gefahr
3 Hilfen und Nachteilsausgleiche bei Neurodermitis
Wird ein Behinderungsgrad anerkannt stehen den Eltern steuerliche Freibeträge zu. Diese steigen mit dem Grad der Behinderung und betragen bei GdB 30 aktuell 620 EUR, bei GdB 50 sogar 1.140 EUR.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann zusätzlich ein Pauschbetrag für behinderungsbedingte Fahrten als außergewöhnliche Belastung steuerlich abgesetzt werden.
In vielen öffentlichen und staatlichen Einrichtungen werden zudem vergünstigte Eintrittsgelder oder Nutzungsentgelte bei Vorlage eines Behinderten-Ausweises gewährt.
Manche Eltern haben Sorge, dass sich die Beantragung einer Behinderung im späteren Berufsleben des Kindes nachteilig auswirken könnte. Insbesondere bei jüngeren Kindern brauchst du dir hierum jedoch keine Gedanken machen. Ein Behinderungsgrad wird immer für 5 Jahre anerkannt und muss anschließend verlängert werden. Ebenfalls ist es jederzeit möglich, den Behindertenausweis zurückzugeben.
Wird eine Pflegebedürftigkeit anerkannt, haben Eltern und Kind Anspruch auf Hilfen in Form von Pflegegeld, Pflegehilfsmitteln, Haushaltshilfen oder anderen Leistungen. Diese können von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen und daher individuell mit den Pflegekassen abzustimmen.
4 Ablauf der Beantragung eines Grads der Behinderung und einer Pflegebedürftigkeit bei Neurodermitis
Einen Grad der Behinderung kann man beim Versorgungsamt seiner Stadt oder Gemeinde beantragen.
Gleichzeitig muss der Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden werden, damit er gegenüber dem Amt entsprechende Auskünfte zu Schwere und Verlauf der Erkrankung erteilen kann. Es ist hilfreich, dass Vorhaben im Vorfeld mit dem behandelnden Arzt abzustimmen.
Argumentationshilfen für die Antragstellung sind z. B.:
- Schwere der Neurodermitis (dauerhafter Bedarf an Medikamenten wie z. B. Kortison, wiederkehrende Komplikationen und Begleiterscheinungen wie Hautinfektionen oder Schlafstörungen)
- schwere Allergien
- eingeschränkte Teilhabe des Kindes am gesellschaftlichen Leben (Schwimmbadbesuche etc.)
- eingeschränkte Teilhabe des Kindes am schulischen Leben (Konzentrationsfähigkeit, Anforderungen an regelmäßige Versorgung der Haut etc.)
Hilfreich ist es auch, mittels Fotos den Verlauf der Erkrankung nachzuweisen.
Auch bei geringer ausgeprägten Verlaufsformen kann ein Antrag in Betracht gezogen werden. Seit einigen Jahren können bereits ab einem GdB von 10 steuerliche Begünstigungen geltend gemacht werden. Ebenfalls ist es bei einer Verschlimmerung der Symptome dann möglich, einen Antrag auf Verschlechterung zu stellen.
Der Antrag auf Pflegebedürftigkeit ist unabhängig vom Grad der Behinderung und wird bei den Pflegekassen gestellt. Auch hier sind ärztliche Gutachten erforderlich.
Nach der Antragstellung folgt im Regelfall eine Pflegebegutachtung zu Hause. Auf dieses Gespräch sollte man sich gut vorbereiten. Auch eigene Mitschriften über die täglich vorgenommenen Pflegehandlungen (Waschen, Eincremen, Wundversorgung, Medikamentengabe) können die Argumentation untermauern.
Zum Schutz des Kindes sollten sensible Fragen (Teilhabe am schulischen Leben, Freundeskreis usw.) nicht in seinem Beisein, sondern in einem separaten Elterngespräch besprochen werden.
5 Nachteilsausgleiche nutzen
In den schlimmsten Neurodermitis-Zeiten meiner Tochter hätte ich viel darum gegeben, zu wissen, dass unsere Sozialkassen zumindest finanzielle Ausgleiche für betroffene Familien vorsehen.
Eine Bekannte von mir mit einem ebenfalls schwer an Neurodermitis erkranktem Kind konnte hierüber z. B. vorübergehend eine Haushaltshilfe in Anspruch nehmen. Dies gab ihr Zeit zum Durchatmen oder um einfach mal in Ruhe zu schlafen.
Nutze daher diese Möglichkeiten, um deine eigenen Kräfte zu schonen und dir dringend benötigte zeitliche und finanzielle Freiräume zu schaffen. Nur, wenn dein Kopf frei ist, hast du Ressourcen, um dich neuen Strategien zur Bewältigung der Neurodermitis bei deinem Kind zu widmen.
Deine Romy
nutrischlau Neurodermitis-Beratung
14.11.2024